Iron Curtain Trail / Eurovelo 13, Sommertour 2022, Teil 10
Der Eurovelo 13 oder auch Iron Curtain Trail genannt, verläuft am ehemaligen Eisernen Vorhang einmal quer durch Europa. In Polen führt er an der Ostseeküste entlang. Einmal von der Russischen Grenze zu Kaliningrad bis an die Deutsche Grenze zu Stettin. Radfahren in Polen muss man wirklich wollen. Das war mir schon nach ein paar Kilometern klar. Die Beschilderung ist oft uneinheitlich und die Wege schlecht (ich sage nur Rasengittersteine). Aber dafür sind die Menschen wirklich offen und interessiert. Und die Landschaft ist sagenhaft!
Anreise & Abreise
Ich bin im Osten Polens in der Nähe von Danzig gestartet. Nach Danzig kommt man von Deutschland aus nicht direkt. Aber auch das Zugfahren in Polen ist mit dem Rad machbar und recht günstig.
Mein Ziel war Stettin. Von dortaus fährt eine Regionalbahn nach Angermünde und von dort aus ging’s mit dem Regionalexpress nach Berlin. Und von dort aus mit dem ICE nach Köln.
Zu den Kosten kann ich leider nicht so viel sagen, denn ich hatte für die Zeit ein Interrail-Ticket, mit dem ich ganz bequem fahren konnte.
Die Strecke: Der Eurovelo 13
Die Ostsee ist echt schön – besonders die Sonnenuntergänge haben mich echt begeistert. Leider ist, je weiter man von der Deutschen Grenze entfernt ist, der Radweg echt in einem schlechten Zustand. Das dämpft ein wenig den Fahrspaß. Aber, je weiter im Osten, desto weniger Touristen und desto schöner die Landschaft.
Tag 1: Danzig – Russische Grenze
Auch wenn Danzig schon ziemlich weit im Osten liegt, sind es noch ungefähr 80km bis zur Grenze. Ich bin über die Landzunge, auf der Krynica Morska liegt, gefahren. Der Eurovelo 13 geht jedoch auf dem Festland entlang. Wenn man über den Eurovelo 13 weiter in Richtung Norden fahren möchte, dann lohnt sich die Strecke über die Landzunge nicht, denn sie ist eine Sackgasse. Denn irgendwann kommt die Grenze zu Russland und die darf man nicht übertreten. Aber keine Angst, die Grenze ist sehr unspektakulär und sicher. Solang man sie nicht übertritt. Es ist einfach nur ein hoher Zaun und ein Schlagbaum. Geschlafen habe ich auf einem der zahlreichen Campingplätze. Hier unbedingt an Mücken-Schutz denken! Die Biester sind echt aggressiv.
Tag 2: Russische Grenze – Sopot
Das Problem an Sackgassen: Man muss den ganzen Weg auch wieder zurück fahren. Aber zum Glück ist die Landschaft ausgesprochen schön und es sind wenig Touristen unterwegs.
Angekommen in Danzig ändert es sich schlagartig, es ist Urlaubssaison und gleichzeitig ein Stadtfest. Dementsprechend voll ist es. Eigentlich wollte ich auch wieder in Danzig übernachten, beschließe aber, noch ein Stück in Richtung Norden zu fahren. Und am Ende finde ich einen Platz auf einem sehr vollen Campingplatz in Gdynia.
Tag 3: Sopot- Chłapowo
Hier habe ich den Eurovelo 13 ein gutes Stück verlassen, denn eigentlich geht der Radweg bei Gnieżdżewo auf einer alten Bahnstrecke weiter in Richtung Westen. Da viele Einheimische mir jedoch die Halbinsel Hel empfohlen hatten, habe ich hier den Weg verlassen und bin weiter in Richtung Władysławowo gefahren. Typisch für polnische Küstenstädte, ist es dort sehr wuselig. Im benachbarten Chłapowo habe ich dann für zwei Nächte mein Zelt aufgeschlagen. Denn ich Fuchs wollte ohne Gepäck nach Hel flitzen. In Chłapowo habe ich auch meine Liebe zu „Gofry“ entdeckt: Das sind dicke, quadratische Waffeln, die z.B. mit Sahne und Obst belegt werden. Perfekt für die Kuchenpause am Nachmittag.
Tag 4: Chłapowo – Hel (und zurück)
Wer den Iron Curtain Trail (wie der Eurovelo 13 auch heißt) fährt, weil die Geschichte dahinter so spannend ist, ist auch in Hel gut aufgehoben. Denn überall gibt es hier alte Bunkeranlagen. Deshalb würde ich empfehlen, die 40km lange Halbinsel genüsslich mit dem Rad abzufahren und nicht so wie ich, ziemlich zu rasen. Ansonsten ist der Radweg hier für polnische Verhältnisse gut ausgebaut, sodass ,an schnell voran kommt. Hel selbst fand ich enttäuschend. Es war unglaublich voll und wuselig. Ein Besuch in der Seehundstation lohnt sich aber dennoch!
Tag 5: Chłapowo – Przybrzeże
Man hat mich im Vorfeld gewarnt, dass der Eurovelo 13 in Polen ziemlich haarig ist. Und so war es dann auch. Anfangs gings ganz entspannt auf der ehemaligen Bahntrasse bei Gnieżdżewo durch die sanften Hügel. Doch dann lernte ich recht schnell kennen, warum der Eurovelo 13 als „haarig“ bekannt ist: Eine sehr lückenhafte Beschilderung machte die Navigation schwer und dazu raubten mir sandige Radwege den letzten Nerv. Aber dafür bin ich auf einem der schönsten Zeltplätze Polens gelandet: In der Nähe von Przybrzeże, direkt am See. Mit einem tollen Sonnenuntergang! Das sind die Momente, die alles wíeder gut machen. 🙂
Tag 6: Przybrzeże – Rowy
Als ich morgens am See wach wurde, habe ich kurz überlegt, ob ich nicht noch eine Nacht bleibe. Es war so wunderbar herrlich entspannt und ruhig, ganz fern von diesem Trubel, den die Polnische Ostsee sonst so versprüht. Aber irgendwie wollte ich weiter. Also bin ich viel zu spät los und habe mich ziemlich über die sandigen Radwege gequält. Und irgendwann war es dann so schlimm, dass ich umdrehte und zur nächsten Landstraße fuhr: Kurz hinter Żarnowska führte der Weg mitten in einen Wald mit echt sehr schlechten Waldwegen. Schlaglöcher und Matsch machten das Fahren kaum möglich. Und so drehte ich wieder um und fuhr erst auf einem gut ausgebauten Radweg neben einer Landstraße und später auf kleineren Sträßchen in Richtung Westen. ich war ziemlich erleichtert, als ich dann Rowy erreichte. Der Ort selber glich leider einer Kirmes (ein Volksfest), überall waren Buden aufgebaut, es gab sogar ein paar Fahrgeschäfte. Aber dafür ließ mich der Besitzer des Campingplatzes im Ort auf seinem bereits sehr vollen Platz schlafen. Besser, als weiter zu fahren.
Falls man mehr Zeit und Lust auf eine kleine Wanderung hat, empfehle ich am Anfang der Tour in Łeba eine längere Pause einzulegen und dort die Wanderdüne (die man wirklich von Weitem sehen kann) zu besteigen. Mir war das zu viel, denn ich hatte auch „nur“ Radfahr-Schuhe dabei.
Tag 7: Rowy – Darłowo
Die Nacht war eher mau – der Campingplatz war nah an der Straße und es war in der Nacht noch einiges los. Aber weiter geht’s! Hinter Rowy geht der Eurovelo 13 durchs hügelige Hinterland der polnischen Ostsee. Teilweise ist der Radweg neu und perfekt asphaltiert, teilweise ist er eine Baustelle und teilweise eine holprige Schotterpiste. Am schönsten sind für mich die Stellen, an denen der Weg dem Ufer der Seen an der Küste folgt, was immer wieder auf der ganzen Strecke des Iron Curtain Trails passiert. Hinter Jarosławiec folgt der Radweg der Küste und streift immer wieder kleine Küstenstädtchen, die sich perfekt für eine Kaffee-Pause eignen. Durch Zufall bin ich in Darłowo gelandet. Durch den Ort, der auf deutsch Rügenwalde heißt, führt der Radweg durch. Und ich hatte einfach keine Lust mehr, weiter zu fahren. Dazu fand ich das Örtchen auch einfach hübsch. Und wer bei dem Namen „Rügenwalde“ hellhörig geworden ist: Ja genau! Hier her kommt die Rügenwalder Mühle. Das Gebäude, wo damals die Fleischerei drin untergebracht war, gibt’s auch noch und ein kleines Schild erinnert an den Gründungsort. In Darłowo habe ich mir eine Nacht Hotel gegönnt – ich war einfach sehr müde und hatte Lust auf ein richtiges Bett mit Strom. 😀
Tag 8: Darłowo – Sianożęty
Ich muss zu geben: So langsam schlaucht das unterwegs sein und ich habe einen kleine Durchhänger. Das sieht man besonders am Ende an den Fotos – je weniger Fotos, desto schlechter die Laue. Hinter Darłowo führt der Weg erstmal ein ganzes Stück durch’s Hinerland, um dann wieder der Küste zu folgen. Um die Küstenstädchen ist es immer recht voll. Man merkt, dass man schon recht nah an der Deutschen Grenze ist: Es tummeln sich deutsche Kennzeichen auf den Parkplätzen. Aber es hat auch etwas Gutes, dass es so touristisch ist: Ich kann die Mittagspause mit „Gofry“ (polnisch für Waffel) langsam zur Tradition werden lassen.
Durch die ganzen Baustellen und dem allgemeinen Ausbau der Rad-Infrastruktur wurde der Eurovelo 13 oft verlegt, sodass die Beschilderung nicht zu meinem Katenmaterial gepasst hat. Das hat mich persönlich ziemlich wahnsinnig gemacht, da ich einfach nicht wusste, wie viele Kilometer noch kommen werden. Plant also auf jeden Fall Pufferzeiten ein!
Geschlafen habe ich dann auf einem Campingplatz, der von Deutschen geführt wurde. Hier war die Situation wie überall auch Eigentlich waren sie schon voll belegt, aber für ein kleines Zelt und eine Person findet man immer einen winzigen Platz. Nochmal Glück gehabt!
Tag 9: Sianożęty – Niechorze
Diese Etappe war wieder ein bunter Mix aus Radfahren an der Küste und Radfahren durch den Wald. Kurz vor Niechorze kommt man wieder an zwei Seen vorbei, die zu einer Pause einladen. Da es vergleichsweise heiß war, habe ich mir eine kurze Etappe gegönnt und bin nach nur 55km in Niechorze auf einem Campingplatz aufgeschlagen. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut hatte, legte ich mich mit Snacks an den Strand (der gar nicht soooo voll war) und genoss das, was diese Tour auch sein sollte: Urlaub. Am frühen Abend kletterte ich dann noch auf den Leuchtturm Niechorze, von dem man eine Aussicht über die Gegend genießen kann. Die Nacht war dann leider wieder mäßig: auf dem Zeltplatz suchten in der Dunkelheit sehr neugierige Füchse nach Futter. Und ich hatte gemacht, was man niemals tun sollte: Abends war ich zu faul, um meine leeren Suppen-Dosen zum Müll zu bringen und hatte sie vor dem Zelt gelagert. Natürlich waren die Füchse so neugierig und haben geschaut, ob sich in meinem Müll noch etwas Leckeres finden lässt. Irgendwann hatten sie von den Nachbarn etwas Wurst ergattert und dann war zum Glück auch Ruhe. Für die nächste Nacht habe ich mir dann aber auf der Stelle ein Hotel gebucht.
Tag 10: Niechorze – Świnoujście/Swinemünde
Am Ende habe ich gar nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde: Aber plötzlich stand auf dem Straßenschild, dass Świnoujście nur noch 42km entfernt ist – was ich ja locker in einem Tag schaffen kann. Zum Glück folgt der Radweg jedoch über große Strecken nicht der Straße, sodass noch einige Kilometer dazu kommen. Aber dafür geht es durch das Naturschutzgebiet auf der Insel Wolin. Hier gibt es ein Wildgehege mit Wisenten (das ich übersprungen habe) und alte Bunker aus den Weltkriegen. Wer sich also für Bunkeranlagen interessiert, sollte hier auf jeden Fall mehr Zeit einplanen. Am Ende der Etappe geht es in Świnoujście noch durch einen großen Industriehafen, bevor es mit der Fähre (die nur für Einheimische, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen ist) über die Świna. Świnoujście selbst ist sehr modern und recht touristisch. Natürlich bin ich bis zur deutschen Grenze gefahren – dort ist ein kleiner Platz, viele Info-Tafeln und ein Grenzweg zum Strand. Gemütlich schlendern hier viele Touristen zwischen Deutschland und Polen hin und her. Ein kompletter Kontrast zur Russischen Grenze.
Im Sommer 2022 bin ich insgesamt fünf Wochen mit meinem Rad und einem Interrail-Ticket im Süd-Osten Europas unterwegs gewesen. Alle Etappen findest du hier:
- Mit dem Rad durch die Alpen – Bikepacking auf dem Alpe Adria Radweg – Teil 1
- Mit dem Rad durch die Alpen – Bikepacking auf dem Alpe Adria Radweg – Teil 2
- Mit dem Rad nach Slovenien – Bikepacking auf dem Alpe Adria Radweg und der Kronprinz-Rudolf-Bahn – Teil 3
- Der See in Bled, die Vintgar-Klamm und die Burg Bled – Sommer Tour 2022 -Teil 4
- Tipps für Ljubljana – Bikepacking Sommer 2022 – Teil 5
- Bikepacking auf dem Neusiedler See Radweg – Sommertour 2022, Teil 6
- Food-Guide: Wien – Tipps für Frühstück, Kuchen & Snacks – Sommertour 2022 – Teil 7
- Radtour in Polen: Der Velo Dunajec – Sommertour 2022, Teil 8
- Kazimierz – jüdisches Viertel, Krakau – Sommertour 2022, Teil 9
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